Wien 1., Das Theatermuseum am Lobkowitzplatz


Der Lobkowitzplatz ist nach dem Palais der Familie Lobkowitz benannt, das eine ganze Längsseite des Platzes einnimmt. Das Gebäude war das erste barocke Palais in Wien und zählt damit zu den ältesten, die es heute noch gibt. Es war, nach diversen anderen Besitzern, von 1745 bis 1980 im Besitz der Familie Lobkowitz. 1804 wurde hier Beethovens 3. Sinfonie - unter der Leitung des Maestros selbst - uraufgeführt, die "Eroica". Danach wurde der Saal "Eroica-Saal" genannt. Beethoven hatte die Sinfonie ursprünglich Napoleon gewidmet.
Aber wütend änderte er die Titelseite, als Napoleon sich zum Kaiser ausrufen ließ. Er änderte die Widmung zugunsten von Fürst Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz. 1980 kaufte der österreichische Staat den Besitz und richtete 1991 ein Theatermuseum ein.
Das Haus allein ist sehenswert. Eine erste Augenweide ist der Brunnen, der vis-a-vis vom Haupteingang zu bewundern ist. Wir sehen Herakles, mit Keule bewaffnet, umgeben von Löwe und Eber, die zwei seine zwölf Großtaten symbolisieren. Seitlich über ihm schwebt ein Engel, der ihm gerade einen goldenen Lorbeerkranz aufsetzt, zum Zeichen von ewigem Ruhm.
Im Treppenaufgang treffen wir Klythia, die man unverschämterweise mit schwarzen Klamotten verunstaltet hat, sowie Aphrodite mit ihrem Nichtsnutz als Sohn, Eros. (Bild unten links)
Aber es sind nicht nur die Bildhauerarbeiten, die den Besucher erfreuen, auch die Deckenmalereien sind großartig. Als Beispiel mag Urania dienen, auf ihr Symbol, die Erdkugel gelehnt. Auch die Symbole anderer künstlerischen Tätigkeiten sind vertreten. Man kann allein damit lange Zeit verbringen, nur die Schönheiten des Palais zu bestaunen.
Aber schließlich ist es ein Theatermuseum, was hat man auf diesem Gebiet zu bieten? Nun, zunächst kommen wir in einen Raum, der für den Schriftsteller Stefan Zweig in Anspruch genommen wird. Ein Zitat aus einem Brief aus New York an Richard Beer-Hoffmann: "Ich bin mit meiner kleinen Klugheit so wie von Österreich rechtzeitig von England fort, alles hinter mir lassend, was Besitz war ... und irre jetzt mit einem Transitvisum, hier eingelassen und fortgetrieben, nach Südamerika, zu Vorlesereisen, die ich nicht mag. Werde ich je zurückkehren können? Werde ich es dürfen, werde ich es wollen?"

   Die erste Seite einer Abhandlung über
   Stefan Zweigs Dissertation
Es gibt Bilder, Handschriften, (im Bild oben) seinen Pass, ausgestellt am 12. März 1940 in England. Alle möglichen Dinge erzählen hier über das tragische Schicksal des Mannes. Schon 1934 emigrierte er aus Salzburg, zunächst nach England. Dort heiratete er in zweiter Ehe seine Sekretärin, Charlotte Elisabeth Altmann, die auch emigriert war - aus Deutschland. Die beiden nahmen die englische Staatsbürgerschaft an, aber Stefan Zweig hatte trotzdem Angst, dass er als "feindlicher Ausländer" interniert werden würde und floh 1940 nocheinmal - nach New York. Die Amerikaner waren nicht an ihm interessiert, deshalb zog er weiter nach Brasilien, wo er ein Dauervisum erhielt. Dennoch beging er 1942 Selbstmord, zusammen mit seiner Gattin. Viele Menschen verstanden das nicht, war doch - im Gegensatz zu vielen anderen Exilanten - seine Existenz gesichert. Aber 1942 stand der Nationalsozialismus am Höhepunkt im Krieg. Und auch die brasilianische Führung war antisemitisch eingestellt. Gab es noch Hoffnung?
Das Weltbild des Pazifisten und "Juden aus Zufall" (wie er sich selbst bezeichnete) war eingestürzt.

Soviel zu Stefan Zweig.
Einen Stock höher finden wir ein paar Marionettenfiguren und eine Puppentheaterbühne, was ja schließlich auch eine Form des Theaters ist. "Die nackte Wahrheit" von Gustav Klimt gibt es auch zu sehen, doch hier sehe ich den Bezug zum Theater nicht ganz ... Wohl steht auf einem Schild daneben, dass das Bild durch einen Nachlass von Hermann Bahr in die Theatersammlung gekommen ist, aber trotzdem ...
Denkwert ist aber der Spruch von Schiller über dem Bild: "Kannst du nicht allen gefallen durch deine That und dein Kunstwerk - mach es wenigen recht, vielen gefallen ist schlimm."
Im Gegensatz zur klaren Sprache Schillers, drückt der Kunstverständige des Museums seine Erklärung zum Bild folgendermaßen aus:
"In ungeschützter Frontalität fordert die "Nackte Wahrheit" den Betrachter heraus. Der vorgehaltene Spiegel wird zur programmatischen Haltung für kompromisslose, künstlerische Wahrhaftigkeit, im Sinne der Secession ..."
Natürlich versteht man das nach dem fünften Lesen auch. Aber erstens kommt es wohl auf den Betrachter an, ob er herausgefordert wird, oder nicht - und zweitens wäre folgende Formulierung vermutlich einfacher zu begreifen: "Der Spiegel symbolisiert das Programm der Sezession, dass die künstlerische Wahrheit kompromisslos sein muss."

Aber wir wollen hier ja nicht Deutsch lernen, sondern uns wieder mit dem Museum beschäftigen. Das Museum ist nicht nur auf Ausstellungen beschränkt, sondern auch ein Zentrum von Veranstaltungen, die zwei, drei Mal pro Woche organisiert werden - manchmal sogar öfter. Theatervorstellungen und Führungen sind ein logischer Bestandteil. Aber es gibt auch Konzerte, Lesungen und ein Kultur-Café, Kinderveranstaltungen und noch viel mehr.

Wir gehen weiter und kommen in den zweiten großen Ausstellungssaal, der Richard Strauss gewidmet ist. Ich bin ein wenig überrascht, aber klarerweise ist Oper auch eine Form von Theater. Hier gibt es viele Bilder von diversen Vorstellungen, auch ein Videofilm (mit Szenen aus Elektra) läuft ab.


Auch hier gibt es Briefe, ein paar Kleider aus den Vorstellungen, sowie Erklärungen über einige Opernsänger. Wir erfahren zum Beispiel, dass Marie Gutheil-Schoder zwischen 1914 und 1925 die Rolle der Elektra in der Wiener Oper sang. Oder dass Hugo von Hofmannsthal, der das Libretto zu dieser Oper geschrieben hatte, von Anna Bahr-Mildenburg als Klytämnestra begeistert war. Interessant ist auch, dass sich die Ausstellung hauptsächlich auf zwei Opern konzentriert, außer Elektra auch Salome. Letztere wurde 1905 in Dresden uraufgeführt und wurde zum "Skandalerfolg", was den Durchbruch von Richard Strauss als Opernkomponist bedeutete. Dennoch, es gab auch herbe Kritiker, so wie Cosima Wagner, die Tochter von Franz Liszt und die Gattin von Richard Wagner. Sie beurteilte das Stück als "Nichtiger Unfug, vermählt mit Unzucht".
Auch Elektra erlebte übrigens die Uraufführung in Dresden im Jahr 1909. Es gibt noch viele andere Kleinigkeiten zu sehen, die anzuführen hier aber den Rahmen sprengen würden.

   Marie Gutheil-Schoder als Elektra
Lassen sie mich mit noch einem Bild von Marie Gutheil-Schoder abschließen, in der Rolle von Potiphars Weib. Anton Kolig erschuf es im Jahr 1923 im Auftrag der Wiener Oper. Die Sängerin selbst stand Modell und das Bild wird heute als eines der ausdrucksvollsten Schauspielerporträts des letzten Jahrhunderts bezeichnet. Auch wenn der Maler selbst es nur als Skizze sah ...
Die Rolle von Potiphars Weib stammt aus dem Ballett "Josephs Legende", dessen deutsche Uraufführung 1921 in Berlin stattfand und im Jahr darauf an die Wiener Oper kam.

Noch ein paar Worte zu Richard Strauss. Im Oktober 1918 wurde er Chef der Wiener Oper, mit Kapellmeister Franz Schalk als zweitem Direktor. Schon von Anfang an war Strauss nicht bei allen beliebt, auch wenn er zum Teil wichtige Erneuerungen als Ideen mitbrachte. Aber bald zogen Strauss und Schalk nicht mehr am selben Strang. Strauss war oft abwesend, da er mit den Wiener Philharmonikern auf Tournee ging und seinem Partner die Arbeit überließ, über die man außerdem nicht immer dieselbe Meinung hatte.

Das führte 1924 dazu, dass Richard Strauss das Handtuch warf und sich wieder ausschließlich als Komponist betätigte.

Beim Verlassen des Museums sehe ich eine inspirierte Dame, die soeben einer Freundin theatralisch eine im Theater neu gebastelte Rose überreicht. Ich bin nicht schnell genug mit der Kamera, aber die Damen sind so freundlich, auf meine Bitte die "Szene" für mich zu wiederholen. Ein herzliches Dankeschön dafür!




© Bernhard Kauntz, Västerås 2014




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