Wien 1., Der Albrechtsbrunnen



Der Albrechtsbrunnen steht hinter der Oper, dort, wo die Augustinerstraße zur Hofburg leitet. Hier führte einst die Stadtmauer entlang und eben an diesem Platz befindet sich die Augustinerbastei hinter dem Brunnen. Eine Bastei ist der besonders befestigte Teil einer Verteidigungsanlage, in diesem Fall eben der Stadtmauer.
Als Kaiser Franz Josef beschloss, die Stadtmauern zu schleifen, wurde gleichzeitig ein Verschönerungs- und Vergrößerungsplan Wiens durchgeführt. Diesem Plan verdanken wir übrigens auch fast alle Prachtgebäude an der Ringstraße.
Daher steht auch über dem Mittelstück die Inschrift: Kaiser Franz Josef I - der Stadt Wien 1869. Ganz richtig war dieser Brunnen ein Geschenk des Kaisers, auch wenn die Mittel aus einem staatlichen Fonds kamen, der durch den Verkauf von Bauplätzen viel Geld eingenommen hatte.
Gleich hinter dem Brunnen liegt die Albertina, der äußerste Flügel der Hofburg. Die Albertina ist heute ein Kunstmuseum, das eine der größten grafischen Sammlungen der Welt besitzt. Sie hat ihren Namen von Albert von Sachsen-Teschen, einem Schwiegersohn Maria Theresias, der das Palais bewohnte. Er legte den Grund für die Kunstsammlungen und er wird auch fälschlich als Namensgeber für den Brunnen genannt.

Der Albrechtsbrunnen um die vorletzte Jahrhunderwende
Aber nach Alberts Tod erbte Erzherzog Karl von Österreich-Teschen den Besitz (übrigens der erste Feldherr, der Napoleon in einer Schlacht besiegte) und nach ihm sein Sohn Erzherzog Albrecht. Daher wurde das Haus hinter dem Brunnen damals als Palais Erzherzog Albrecht bezeichnet und daher auch Albrechtsbrunnen.
Es ist aber noch nicht genug des Guten. Im Volksmund wird der Brunnen nämlich meist Danubiusbrunnen benannt. Was wieder falsch ist, denn in Latein hieß die Donau Danuvius mit "v". Ich hoffe, dass das nur eine dialektale Form ist und nicht schon wieder ein Anglizismus, von "Danube" abgeleitet. Aber jetzt kommen wir der Sache schon näher, denn der Danuvius sitzt im Mittelstück zusammen mit Vindobona (der lateinische Name für Wien). Diese Personifikation der Stadt Wien hält auch den Stadtschlüssel in der Hand.

Ich bin auch mit der ofiziellen Deutung des Danuvius nicht ganz einverstanden. Er wird als grimmig beschrieben, was die früheren Härten von Eisstoß und Hochwasser symbolisieren soll. Ich finde, er sieht gar nicht so grimmig aus, er hat ja sogar Lachfalten um die Augen. Die Donau war nämlich auch ein lebensnotweniger Fluss für die Stadt, die den Handel und den Fischfang ermöglichte. Natürlich zeigt Danuvius auch Stärke. Aber kann man den Gott eines mächtigen Flusses vielleicht verweichlicht darstellen? Die Aussage des Mittelstückes ist jedoch ganz klar. Wien gehört zur Donau und die Donau gehört zu Wien.
Wenn man die zwei obersten Bilder auf dieser Seite vergleicht, merkt man schnell, dass da etwas nicht stimmt. Nun, das hat zum Teil seine Erklärung in den aliierten Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg. Sowohl im September 1944, wie auch ein halbes Jahr später, am 12. März 1945, wurde die Albertina zerstört und auch der Brunnen in Mitleidenschaft gezogen. Nach dem Krieg blieben nur die vier Allegorien in der Mitte beim Brunnen, die anderen wurden im Land verstreut. Bei der Restaurierung gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde doch um die Rückgabe gebeten. Nur die March blieb verschollen.
Sie wurde als Nachbildung eingefügt. Die anderen Statuen sind sämtliche aus Carrara-Marmor, den der Architekt, Moritz von Löhr, selbst am Ort auswählte. Die Figuren schuf der Bildhauer Johann Meixner.
Alles Bisherige war eigentlich nur die Einleitung. Denn, zusammen mit den Allegorien von Donau und Wien, hat der Brunnen durch die anderen Figuren noch eine fabelhafte Idee und eine großartige Aussage. Sie fasst Geografie und Geschichte zusammen, auch wenn die vielen Touristen - und ich fürchte, auch die meisten Wiener - heute davon wenig Ahnung haben.
Das Mittelstück des Brunnens war nämlich von vier größeren und sechs kleineren Statuen flankiert, die alle je einen Nebenfluss der Donau symbolisieren sollten. Die vier großen waren natürlich die Allegorien der vier größten Nebenflüsse. Die Save beziehungsweise die Theiß stehen auch heute gleich neben dem Mittelstück, während die Drau und der Inn das Werk an den Außenseiten abschlossen.

       
Save                                                                                    Theiß

Aber Moment mal ... Save? Theiß? Die haben doch nichts mit Österreich zu tun? Doch! Denn das ist ja gerade der geschichtliche Teil des Bauwerkes. Als es errichtet wurde, lagen beide Flüsse auf österreichisch-ungarischem Gebiet. Die Theiß, heute Tisza oder Tisa, ist der größte Nebenfluss der Donau in Ungarn, während die Save, oder Sava, in der Krain, dem heutigen Slowenien, entspringt.
Einige dieser Flüsse haben ein Ruder als Beigabe. Das bedeutet, dass dieser Fluss damals zumindest teilweise schiffbar war.
Leider hat unsere moderne Zeit keinen Sinn für alte Werte oder Traditionen. Als man in den ersten Jahren unseres Jahrhunderts eine Rolltreppe baute, die hinauf zur Albertina führte, war der Inn im Weg. Also verbannte man ihn und stellte ihn im Burggarten auf. Weil der Brunnen dann aber nicht mehr symmetrisch war, musste auch die Drau daran glauben. Sie steht dort, völlig entfremdet, neben dem Inn. Da war sie doch noch in Greifenburg in Kärnten besser aufgehoben, wo sie am am Oberlauf der Drau wenigstens einen Bezug hatte.
Ich bin durchaus nicht gegen moderne Hilfsmittel, aber ich frage mich, ob man keine bessere Stelle für die Rolltreppe finden konnte? Ich bin sicher, dass man sie, sowie den Aufzug, auch auf der anderen Seite, gegenüber des Eingangs zum Burggarten, einbauen können hätte. Vermutlich waren da aber finanzielle Interessen dagegen - und natürlich besiegt der Mammon die Kultur. Das ist immer so.
Wen stört es schon, dass man zwei Flüsse ganz einfach verschwinden lässt? Wer weiß heute schon, dass sie überhaupt dazugehören? Aber dass man den Sinn des Denkmals völlig zerstört, das ist tragisch. Denn was soll der Danuvius jetzt mit nur acht von seinen zehn Kindern?

Und wenn man schon absolut zwei Statuen entfernen musste, dann hätte es immer noch eine bessere Lösung gegeben. Denn die Salzach und die Mur sind bestenfalls Ziehkinder des Danuvius. Die Salzach mündet nämlich in den Inn und die Mur mündet in die Drau. Man hätte dann den ganzen Brunnen ein wenig umgestalten müssen, um die größeren Statuen von Drau und Inn wieder als Abschluss zu verwenden. Aber das kann doch kein größerer Aufwand sein, als eine Rolltreppe zu bauen?

       
    Mur                                                             Salzach                                                             March    

Um jedoch zu einer solchen Lösung zu kommen, müssen die Leute, die das Sagen haben, also Menschen mit technischem oder politischem Hintergrund, natürlich auch ein wenig Allgemeinbildung mitbringen. Dann erst kann man sich zu einem solchen Resultat durchringen ...

   
    Raab                                                               Enns                                                               Traun

So bleibt uns ein Denkmal, das weder geografisch, noch geschichtlich korrekt ist.

© Bernhard Kauntz, Västerås 2018


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