Wien 8., Piaristengasse und Florianigasse


Was macht man an einem kühlen Sonntagnachmittag im November, wenn man ein paar Stunden Zeit hat? Im Hotelzimmer zu sitzen, ist nicht wirklich eine Alternative, aber andererseits fehlt mir genügend Zeit um etwas Größeres zu unternehmen. Ich beschließe also, einen Spaziergang zu machen und dabei auf Dinge zu achten, an denen man im Alltag sonst vorübergeht.
Warm angezogen, gehe ich gleich rechts am Theater in der Josefstadt vorbei. Es ist das älteste Theater in Wien, in dem heute noch gespielt wird. Es besteht seit 1788 und hat viele berühmte Menschen beherbergt. Um ein Beispiel zu nennen, spielte Ferdinand Raimund im Jahr 1814 hier seine Debutrolle als Moor in Schillers "Die Räuber". Fünfzehn Jahre später debutierte Johann Nestroy in diesem Haus. Zusammen mit Franz Grillparzer gehören die beiden zu den wichtigsten Dramatikern Österreichs.
An der Straßenecke biege ich rechts ab und befinde mich in der Piaristengasse. Die Piaristen sind ein katholischer Männerorden, hauptsächlich im Schulwesen und der Erziehung tätig. Aber nicht die Piaristen fangen mein Interesse, sondern das Haus linker Hand, dessen Fassade im Renaissancestil restauriert ist. Es ist ohne Zweifel ein Blickfang. In dem Haus ist teils die Piaristen-Volksschule untergebracht, wie auch das Pfarramt Maria Treu.
Während ich weitergehe, habe ich ein wenig Zeit, um über die Geschichte der Josefstadt nachzudenken. Ihren Namen hat sie nach Kaiser Josef I, dem Großvater von Maria Theresia.
Bis 1850 war Wien von Stadtmauern umgeben, das heißt, das Gebiet, das heute die Innere Stadt, den ersten Bezirk ausmacht. Vor diesen Stadtmauern hatten sich im Laufe der Zeit Vorstädte gebildet, die in die Stadt eingegliedert und 1861 in die heutigen Bezirke eingeteilt wurden. Die Josefstadt wurde damals der 8. Bezirk.
Es ist der kleinste aller 23 Bezirke Wiens, sowohl flächenmäßig, als auch nach Einwohnerzahl. Wie alle anderen ehemaligen Vorstädte erstreckt sich die Josefstadt aber von der Ringstraße bis zum Gürtel, der die Stadt wie ein äußerer Ring umschließt.
Geschichtlich gesehen wurde das Gebiet der Josefstadt erst spät besiedelt. Nur in der Nähe der Stadtmauer lag seit dem Mittelalter eine kleine Siedlung. Das Wachstum begann erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts, nachdem die Türkengefahr gebannt war. Das Osmanische Reich belagerte Wien sowohl 1529, als auch 1683. Erst danach gelang es Prinz Eugen von Savoyen, das türkische Heer über den Balkan zurückzutreiben und auf diese Art Wien zu sichern. Als Dank dafür bekam er vom Kaiser das Areal um das Belvedere, wo Prinz Eugen sich das Schloss als Sommerhäuschen erbauen ließ. Vom dortigen Balkon gab übrigens Leopold Figl 1955 bekannt, dass Österreich wieder frei war - von den Besatzungsmächten nach dem Zweiten Weltkrieg.
Aber zurück zur Piaristengasse. Gleich nach dem Pfarrhaus, gehe ich am Jodok Fink-Platz vorbei, hinter dem sich die Piaristenkirche erhebt. Ich folge meinem Vorsatz, heute keine Kirchenbeschreibungen zu tätigen, weil der Netshop ohnehin schon genug von denen hat. Ich habe auch keine Ahnung, wer Jodok Fink war, nachdem dieser Platz benannt ist, aber zu Hause gibt das Internet darüber Auskunft. Fink war ursprünglich Landwirt aus Vorarlberg, wurde aber 1897 Mitglied des Österreichischen Reichsrates und nach den Fall der Monarchie wurde er unter Staatskanzler Karl Renner Vizekanzler für die Christlichsoziale Partei.
Und gleich an der nächsten Ecke werde ich schon wieder fündig. Die "Keller" in Wien bürgen für gutes, nicht allzu teures Essen, aber nicht zuletzt für guten Wein. Der Piaristenkeller macht hier keine Ausnahme, eher im Gegenteil. Durch die Weinschatzkammer hat man sogar eine größere Verpflichtung, was den Wein betrifft, sowohl an Qualität, als auch an Auswahl.
Das k.u.k. Restaurant ruft Nostalgie hervor und ganz richtig werden Franz Joseph und Sisi durch Bilder gehörig ausgenützt. Aber der Keller ist noch viel älter, gute 300 Jahre alt. Auch des "Kaisers Hutmuseum" befindet sich in den Gewölben und kann, wie auch die Weinschatzkammer, vor oder nach dem Essen bestaunt werden.
Wir gehen aber weiter bis zum Ende der Straße und biegen dort links ab in die Florianigasse. Die Florianigasse hat ihren Namen vom heiligen Florian, der ja der Schutzheilige der Feuerwehrleute ist und der auch vor Bränden schützen soll. Ganz richtig finden wir zwei Querstraßen weiter ein Haus, in dessen Vorgänger (bis 1912) die Feuerwehr untergebracht war. Ein noch älteres Gebäude, "Zum Rundell", wird an der Hausecke gezeigt. Dort bekommt man auch die Erklärung zum Namen der Fuhrmannsgasse , wie auch eine Übersicht über das Straßennetz der Umgebung. Das Haus selbst ist im secessionistischen Stil erbaut, was die Ausschmückung und die Fenster ohne jede Verzierung andeuten.
Das erste dieser Häuser wurde von Adolf Loos am Michaelerplatz erbaut und von den Wienern als "Haus ohne Augenbrauen" beschimpft.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite gehen wir am Amtshaus für den 8. Bezirk vorbei, in dem die Bezirksverwaltung ihren Hof hält. Ein schneller Überschlag, gemessen an den Fenstern, ergibt, dass - niedrig gerechnet - mindestens 200 Bürokraten ihren Tagesablauf hier verbringen.
An der nächsten Straßenecke, mit der Skodagasse, die nach einem Schauspieler benannt ist, fallen mir die Pseudokaryatiden auf. Pseudo deshalb, weil eine Karyatide in der Architektur eine tragende Funktion ausübt, diese beiden Damen aber eher als Blickfang dienen. Die "Goldene Harfe" ist eine Sammelbezeichnung für irische Pubs, deren es in Wien ganze sechs Stück gibt. Aber es ist zu kalt für ein Bier, deshalb gehe ich weiter. Die Florianigasse biegt hier halblinks ab - ich folge ihr.
Am Bennoplatz, an der Kreuzung mit der Bennogasse, liegt ein kleiner Park. Sowohl Platz, als auch Gasse sind nach Benno Pointner benannt, der im 18. Jahrhundert Abt des Schottenstifts wurde. An einer Ecke des Platzes liegt ein noch typisches Wiener Gasthaus, "Zum Prinz Ferdinand". Ich nehme an, dass das Gasthaus gegründet wurde, als ein Ferdinand Prinz war. Allerdings gibt es hier zwei Möglichkeiten und ich finde, dass man das auf des Restaurants Webseite klarstellen könnte.
Das tut man nicht, also muss ich versuchen logisch zu sein: Es könnte sich um Ferdinand II handeln, der 1619 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wurde und daher vorher Prinz war. Allerdings wissen wir, dass das Gebiet der Josefstadt vor der Türkenbelagerung 1683 kaum besiedelt war.
Daher nehme ich an, dass es um Ferdinand I geht, der 1835 Kaiser von Österreich wurde. Vermutlich wurde das Restaurant also Anfang des 19. Jahrhunderts eröffnet. Letzterer Ferdinand war übrigens "schwach von Geist" und wurde noch bei Lebzeiten vom damals 18jährigen Franz Joseph abgelöst. Noch eine kulturelle Klammer zu den Ferdinands. Der aufmerksame Leser wird notiert haben, dass der frühere Kaiser die Nummer II trägt, während der spätere der Erste genannt wird. Nun, Ferdinand II war der zweite Kaiser dieses Namens im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, während der geistesschwache Kaiser der erste Ferdinand von Österreich war. So lange das Heilige Römische Reich bestand (bis 1806) waren seine Kaiser aber "nur" Erzherzöge von Österreich.
Im Bild rechts noch ein Beispiel Wiener Architektur am Bennoplatz, an der gegenüberliegenden Seite des Prinzen.
Ehe man jetzt zum Gürtel kommt, muss man den Uhlplatz überqueren. Hier steht auch eine Kirche, die des St. Franziskus Seraphicus ...
An dieser Kirche bin ich früher oft mit der Stadtbahn vorbeigefahren und hatte mir öfter vorgenommen einmal hinein zu gehen. Jetzt mache ich es. Ich mache natürlich auch ein paar Bilder - und wer weiß, ob nicht trotz meines Vorsatzes einmal ein Artikel darüber im Netshop steht.
Jetzt allerdings bin ich am Gürtel angekommen und stehe vor der ehemaligen Stadtbahn- und heutigen U-Bahnstation Josefstädter Straße. Die Josefstädter Straße geht parallel zur Florianigasse.
Ich biege also links ab und gehe am Stationsgebäude vorbei bis an die nächste Ecke. Wissen Sie, dass man vom vielen Schauen auch müde werden kann? Denn so weit bin ich gar nicht gegangen. Aber auf der Josefstädter Straße fährt ja die gute alte Straßenbahn und ich beschließe, die zwei Stationen zurück zu fahren. Wenn Sie über die mehr als hundertjährige Entwicklungsgeschichte von Wiens Straßenbahn lesen wollen, dann kann ich Ihnen diese Seite im Netshop empfehlen. Sollten Sie an noch älterer Geschichte interessiert sein, empfehle ich, sich vorher auch über die Pferdestraßenbahn zu informieren.
Damit bin ich am Ende meines Spaziergangs angekommen und ich hoffe, dass auch für Sie ein wenig Interessantes dabei war.


© Bernhard Kauntz, Västerås 2017




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25.11.2017 by webmaster@werbeka.com