Das Donauinselfest
Europas größter Open-Air-Festival


Das allererste Donauinselfest hat mein Bruder veranstaltet. Schon 1983, also ein Jahr vor dem ersten "offiziellen" Fest, war man an ihn mit der Frage herangetreten, ob er als Vorstand eines Kulturvereins ein Fest auf der Donauinsel organisieren könne. Er konnte. Erst im Jahr darauf wurde das Fest seitens der politischen Partei, die es heute noch betreibt, übernommen und das Fest von 1984 scheint in den Annalen als erstes Fest auf, trotz "gestohlenem" Namen.

Nun, egal welches Fest man als Ausgangsbasis nimmt, der Unterschied zu heute ist gewaltig. Drei Tage lang überschlagen sich die Ereignisse auf der künstlichen Insel, die entstand, als man in Wien die Donau teilte, um die Überschwemmungsgefahr zu bannen. In diesem Jahr, obwohl zum Teil verregnet, kamen 2,6 Millionen Besucher! Im Vorjahr waren es 2,9 Millionen.

Aber man unternimmt auch viel, um den Besuch zu erleichtern. Die öffentlichen Verkehrsmittel in Wien gehen bis 3 Uhr früh, mit Extragarnituren, damit alle rasch befördert werden können. Die Gemeinden rund um die Stadt haben eigene Zubringerbusse und die Eisenbahn ermöglicht es allen unter 26 an diesem Wochenende um nur 7 Euro hin und zurückfahren zu können, egal wo in Österreich sie wohnen.
Inzwischen sind die Attraktionen so angewachsen, dass man auch die beiden Donauufer am "Festland" benötigt, um alles unterzubringen. Die Insel ist an sich etwa 40 km lang, aber man versucht natürlich, die Aktivitäten zwischen den 4 Brücken mit öffentlichem Verkehr zu konzentrieren.

Der Eintritt ist frei und größtenteils unkontrolliert, auch wenn man stichprobenmäßig mitgebrachte Taschen untersucht. Glasflaschen sind wegen der Verletzungsgefahr verpönt und Jugendliche dürfen keinen Alkohol mitbringen. Erwähnenswert ist, dass ich während des ganzen Tages, den ich dort verbrachte, weniger betrunkene Jugendliche sah, als an einem normalen Samstagabend im Zentrum von Västerås, einer Kleinstadt in Schweden. Und das, obwohl die Herren im schwarzen T-Shirt wirklich nur zeitweise und wirklich nur an einigen Eingängen kontrollieren können. Und obwohl im Prinzip an jedem Stand Alkohol ausgeschenkt wird - nur nicht an Jugendliche unter 16.

Während des Tages gibt es Unterhaltung für die Kleinen, mit Hüpfburgen oder Sackhüpfen; man kann sein Gesicht anmalen lassen oder bei den Riesenbildern selbst mitmalen. Auch ein Kasperltheather muss dabei sein, es gibt Karusselle, Clowns und viele andere Dinge auch noch.

Darbietungen stehen ebenfalls auf dem Programm. Eine Tanzgruppe steht auf einer Bühne, vom Himmel schweben Fallschirmspringer, auf dem Wasser toben sich ein paar Profis mit dem Jet-Ski aus und werden von einer Helikopterstaffel abgelöst, die mit ihren fliegenden Brummern die tollsten Akrobatikkunststücke zeigen.
Auch der Sport kommt nicht zu kurz. Surfbretter, Mountainbikes und Skateboards finden hier ideales Terrain vor. Auch Mannschaftssport ist angesagt. Im Turnsaal des Schulschiffes auf der Donau wird Handball gespielt, dazu kommen noch Basketball und Turniere im Beach-Fußball und Beach-Volleyball - für die man tonnenweise Sand hingekarrt hat. Im Fußball hat man sogar Mannschaften aus 15 Nationen organisiert. Ich schaue eine Weile zu, wie sich zwei Damenmannschaften im knöcheltiefen Sand abplagen und bekomme den Geruch von feuchtem Sand in die Nase, der Erinnerungen an Badestrände und Urlaub mit sich führt.

Natürlich gibt es auch Werbung. Die Österreichischen Bundesbahnen haben ein eigenes Zelt, wie viele andere Sponsoren auch. Anderswo kann man den Blutdruck messen lassen und bekommt Gesundheitstips, sowie ein Zentimetermaß, um den Bauchumfang zu messen. Aber hier findet man das wenigste Interesse.

In Zeltbuden, die reihenweise den Rand der Wiesen säumen, gibt es Speisen und Getränke in Massen. Für die Getränkebecher wird jedoch ein Pfand verlangt, damit sie nicht einfach weggeworfen werden. Und die, die trotzdem herumkugeln, werden von eifrigen Zehn- oder Zwölfjährigen eingesammelt, die - pro Becher 50 Cent - einen nicht verächtlichen Tagesverdienst aufklauben. Während des ganzen Nachmittags kommen mehr Besucher. Auf den verschiedenen Bühnen führt man Sound- und Beleuchtungsproben durch, damit am Abend alles stimmt. Während ich einen Platz an einem Tisch ergattert habe und ein spätes Mittagessen genieße, höre ich von der nächsten Bühne einen Drummer. Bamm! Pause. Bamm! Wieder Pause. Bamm! So geht das eine ganze Weile, bis es fast schon langweilig wird, dann plötzlich ein Bamm-Bamm! Bamm! Bamm-Babamm! Und dann fällt auch schon die Gitarre ein.
Auf anderen Bühnen beginnen die ersten DJs Platten aufzulegen, denn der Abend gehört vor allen Dingen der Musik. Es ist breit gefächert, für jeden Geschmack etwas. Vom Wienerlied über Country&Western und Reggae bis zum Heavy Metal ist alles vertreten - zwar mit verschiedenem Bekanntheitsgrad, aber international. Zwischen der schwedischen Band "Friska Viljor" bis zu dem Rocker "Zucchero" aus Italien spielen auch Bands, die aus Schülern einer Schule bestehen. Daneben sind aber nicht zuletzt Stars wie Alphaville, Gianna Nannini, Claudia Jung und Gentleman & The Far East Band eingeladen.
Leider ist das diesjähige Fest von einer Tragödie überschattet. Einer der Großen des Austropops, Georg Danzer, hätte auftreten sollen, aber es ging ihm gesundheitlich so schlecht, dass sein Freund und Kollege aus "Austria 3", Rainhard Fendrich, für ihn einspringen musste. Ich hatte mich entschieden, dieses Konzert zu sehen.
Es sollte aber noch schlimmer kommen. Am Vorabend des Auftritts verstarb Georg Danzer.

Die Vorstellung fand trotzdem statt. Vor der Bühne war natürlich alles gedrängt voll, aber als ich mir eine Stunde vorher einen Platz suchte, fand ich einen relativ guten Platz, von wo ich noch auf die Bühne sehen konnte, vor allem aber einen Großbildschirm etwa fünfzehn Meter vor mir hatte. Die Fotos stammen von diesem Bildschirm und sind daher nicht das Gelbe vom Ei. Insgesamt waren es zweihunderttausend Menschen, die das Konzert auf den verschiedenen Bildschirmen der Insel live sahen. Zweihunderttausend!
Fendrich spielte an diesem Abend ohne Gage, für die Familie von Danzer. Er sagte, dass man einem Musiker nur mit Musik gedenken kann und begann mit drei Liedern seines Freundes. Hunderte Sprühkerzen wurden angezündet und gaben der Vorstellung eine besondere Note, die sicher dazu beiträgt, dieses Konzert und Georg Danzer besser in Erinnerung zu behalten.

Ich warte schon lange auf ein spezielles Lied, gebe aber die Hoffnung bei der dritten Zugabe auf. Übergangslos von dieser singt Fendrich aber doch noch "I am from Austria". Das ist natürlich ein patriotischer Song und das Publikum geht mit, vor der Bühne kommt sogar eine Fahne hoch. Aber für mich kommt trotzdem noch ein wenig mehr Emotion dazu, weil es im Text heißt: "heut flieg' ich noch viel weiter fort - ich seh' dich meist nur von der Weiten - wer kann versteh'n, wie weh das manchmal tut?" Nach 40 Jahren im Ausland weiß ich das wirklich ... Und beim letzten Refrain, wo es heißt: "sag ich, ein Mensch der Welt, voll stolz - und wenn ihr wollts a gaunz alla (auch ganz allein): I am from Austria", muss ich mir verstohlen eine Träne aus dem linken Augenwinkel wischen. Viel zu oft habe ich das nämlich schon ganz allein sagen müssen. Banal? Ja, vielleicht - aber nur für die, die es nicht selbst erlebt haben ...
Und so nimmt das Donauinselfest - übrigens das erste, bei dem ich zu dem Zeitpunkt in Wien bin - auch noch ein besonders schönes Ende für mich.


copyright Bernhard Kauntz, Västerås 2007



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