Schloss Austerlitz


Schloss Austerlitz liegt etwa zwanzig Kilometer östlich von Brno in Südmähren. Das Schloss hat besondere Bedeutung für mich, hatte es doch lange Zeit die Familie Kaunitz als Besitzer, die - irgendwie - mit uns Kauntz verwandt sind. Hatte doch Ulrich Freiherr von Kaunitz dieses Schloss im Jahr 1509 erworben.
Die Geschichte des Schlosses ist jedoch noch ein paar Jahrhunderte älter. Es begann damit, dass der Markgraf von Mähren gegen Ende des zwölften Jahrhunderts die Stadt Austerlitz dem Deutschen Ritterorden schenkte. Dieser baute hier eine massive Festung mit vier Türmen. Im Bild rechts kann man heute noch im Unterbau zum Teil die Schießscharten in der Höhe des Wallgrabens sehen. Auch in der sogenannten schwarzen Schlossküche sind noch Reste dieses uralten Baues erhalten.
Danach wurde die Burg öfter umgebaut, wovon jedoch keine Unterlagen vorliegen. Der Barockumbau danach wurde schon von den Kaunitz durchgeführt.
Der Grundriss in Austerlitz ist recht interessant. Die meisten Schlösser haben einen Mittelteil, der breiter ist als die seitlichen Flügel zusammen. Hier ist das nicht so. Im Bild sehen wir den helleren Mittelteil, allerdings nur von der Gartenseite her. Auf der Vorderseite bildet der Grundriss des Schlosses ein enges U, sodass der Schlosshof eher einer Gasse als einem Platz gleicht. Leider wurde gerade renoviert und die Fassaden waren mit Baugerüsten verunstaltet. Den Abschluss des Hofes auf der anderen Seite bilden zwei freistehende Gebäude.
Sie sind je als Viertelkreis erbaut und enthielten früher die Stallungen.
Die ebenerdige Hofseite der Flügel ist mit Arkaden gestaltet, sodass man auf dem Weg zur Kartenkassa schon einen netten Anblick genießen kann. Ebenso faszinieren die hübschen Stuckverzierungen an der Decke der Eingangshalle des Schlosses (Bilder unten).
Im Schloss gibt es eine Führung auf Tschechisch, Anderssprachige werden mit dem übersetzten Text versehen, sodass sie mitlesen können. Das ist nicht ganz ideal, weil man beim Lesen nicht gleichzeitig alles betrachten kann.
  Ich verstehe aber, dass man in einem kleinen Schloss nicht in allen Sprachen Führungen machen kann, noch dazu, weil es relativ wenige Ausländer gibt, die zur Besichtigung kommen. Austerlitz ist ja hauptsächlich wegen der Schlacht zwischen Napoleon und Österreich/Russland bekannt, die hier im Jahr 1805 stattfand. Das Schloss ist weniger bekannt. Es ist wie immer: Krieg ist leider viel wichtiger als Kultur.
Die Führung beginnt im Saal der Gründer. Dort gibt es einen Stammbaum der Familie Kaunitz aus dem 18. Jahrhundert. Dieser ist mit einer Feder auf weichgegerbtes Ziegenleder geschrieben - allerdings so klein, dass man ein paar Stunden brauchen würde, um ihn durchzugehen. Schade, denn er beginnt schon im 10. Jahrhundert. Der älteste, urkundlich erwähnte war jedoch Vilém (Wilhelm), der 1185 an einer Schlacht teilnahm.
Hier steht auch eine Marmorbüste von Dominik Andreas, der um 1690 die Barockrenovierung des Schlosses einleitete. Er beauftragte Domenico Martinelli von Lucca mit dieser Arbeit. Dieser Mann war keineswegs nur Architekt. Er war auch Priester und Erzieher von Dominiks Söhnen. Als Dominik Andreas 1705 starb, war allerdings nur der westliche Flügel (der Mittenteil) erbaut.
Sohn und Erbe Maximilian baute aber erst 1720 weiter, als er Wenzel Petruzzi mit der Arbeit betraute. Dieser baute den nördlichen Flügel und die zwei Viertelbögen der Stallungen. Der berühmte österreichische Architekt Fischer von Erlach errichtete die Wasserleitungen im Schloss, die zu dieser Zeit eine herausragende Arbeit waren.
  Den südlichen Flügel ließ der nächste Erbe, Wenzel Anton, erbauen. Er war auch ein großer Kunstliebhaber. Während seiner Zeit war die Bildersammlung auf mehr als 2000 Kunstwerke vergrößert worden.
Wir gehen an einem kleinen Herrenbadezimmer (Bild links) vorbei, dessen Einrichtung allerdings aus dem 19. Jahhundert ist. Dann kommen wir in die kleine Galerie, wo es interessante, mythologische Deckenfresken gibt. Danach betreten wir den Saal der Habsburg-Lothringer Dynastie. Wenzel Anton war der Kanzler von vier Kaisern und war auch bei der "Umkehr der Allianzen" sehr einflussreich, sodass Joseph II ihm einige Porträts der Kaiserfamilie schenkte: von Maria Theresia und ihrem Gatten Franz Stephan von Lothringen, Maria Anna (der Schwester Maria Theresias), die mit dem Bruder von Franz Stephan verheiratet war, sowie von Joseph II selbst und seiner Gattin Isabelle von Parma, der Urnkelin von Frankreichs König, Ludwig XIV.
Die Einrichtung des nächsten Zimmers, dem Orientalischen Salon, verdanken wir nahezu vollständig Dr. Václav (Wenzel) Kaunitz, einem der letzten der Familie. Er lebte hauptsächlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der orientalische Trend in ganz Europa einen Siegeszug antrat. Wir werden später noch von ihm hören.
  Danach kommen wir in den Goldenen Salon. Hier ist die Gräfin von Sternberg, die Gattin von Dominik Andreas, als Diana auf der Jagd abgebildet (Bild links).
 
  Auch der Gatte und der Sohn Maximilian sind hier porträtiert - allerdings in konventioneller Form. Letztere Bilder stammen von Hyacinthe Rigaud, der auch bei Frankreichs Sonnenkönig, Ludwig XIV, Hofmaler war. Maximilian wurde während seiner Studien in Frankreich abgemalt. Damit die Bilder gleich groß würden, schickte Vater Dominik die Maße seines Bildnisses nicht nur in Mährischen Schuhen, sondern auch auf einer Schnur mit Knoten.
Es gibt im ganzen Schloss auch jede Menge Malereien und Dachfresken aus der griechisch-römischen Mythologie, aber es würde zu weit führen, überall darauf einzugehen.
Der Marmortisch mit vergoldeten Beinen und der Spiegel stammen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wie auch die anderen Möbel in diesem Raum.
Hiernach kommen wir in den Saal der Ahnen, der den zentralen Teil des Westflügels ausmacht.
  Er wurde früher als repräsentativer Speisesaal benützt. Wenzel Anton ließ hier überlebensgroße Bilder seines Vaters und Großvaters und deren Gattinen malen. Sie sind in Holzrahmen, die vom Boden bis zur Decke gehen, in die Wand eingearbeitet und prägen den ganzen Raum (im Bild wieder Dominik Andreas). Auch der Stuck und die Fresken sind hier ganz besonders schön ausgearbeitet. Ersterer stammt von Santino Bussi, während Andreas Lanzani für die Fresken verantwortlich zeichnete. Alle Fresken von Lanzani wurden im Jahr 1701 gemalt. An der Decke in diesem Saal können wir die Götter auf dem Olymp betrachten und in den vier seitlichen Medaillons sieht man Zeus in verschiedenen Gestalten, die er annahmn um Frauen zu verführen. Giovanni Giuliani erschuf die gemeißelten Köpfe mit Blumenverzierungen oberhalb der steinernen Türpfosten. Er ist auch der Urheber der etwa 50 Skulpturen, von denen die meisten heute im Garten zu sehen sind.
  Nun kommen wir in den Historischen Saal, einen großen, ovalförmigen Raum. Er zeichnet sich durch seine Akustik aus, sodass ein unvermuteter Lauscher hinter einer Tür durch das vom Echo verzerrte Gespräch - sollte man zu laut sprechen - kaum verstehen kann. Was hier als Relief erscheint, wurde vom Freskomaler Josef Pichler erschaffen. Die Kannelierung der Säulen ist nur aufgemalt, ebenso wie die Nische, in der Herakles mit dem Löwen ringt (Bild links). Die großen Kronleuchter sind aus tschechischem Bleikristall und sind auch heute noch nicht elektrifiziert. Die Sitze der Stühle sind mit vergoldetem Leder tapeziert und über einer der Türen steht eine Bronzebüste von Wenzel Anton. Der Saal wurde von diesem oft für geheime diplomatische Verhandlungen gebraucht. Seine Enkelin heiratete hier Fürst Metternich, den "Kutscher Europas" auf dem Wiener Kongress 1814/15. Nicht zuletzt aber wurde in diesem Saal der Waffenstillstand nach der Schlacht von Austerlitz unterzeichnet.
  Wenzel Anton war, wie schon erwähnt, wie sein Großvater ein großer Kunstliebhaber. Sein Vater Maximilian hatte genug zu tun gehabt, die Schulden des Großvaters zu tilgen und daher nicht viel Möglichkeit, auch noch zu sammeln. Später fielen allerdings mehr als achtzig Gemälde in die Hände der Franzosen ... Wie ist das eigentlich mit der heute so modernen Restitution?
Der Boulle-Saal ist so genannt weil die Möbel in diesem Raum im Stil von Charles Boulle hergestellt wurden. Boulle war Hoftischler bei Ludwig XVI von Frankreich. Auch diese Stücke stammen aus dem Mobilar von dem früher schon erwähnten Wenzel Kaunitz.
Die Wände werden von großen Malereien geschmückt, deren Prunkstück die "Römische Braut" von Andrea Celesti ist - vom Beginn des 18. Jahrhunderts. Die übrigen Bilder stammen von den Österreichern Hans Adam Weissenkirch und Franz Anton Maulbertsch.
  Nun sind wir ins Schlafzimmer der Fürstin gekommen. Damit ist natürlich die Gattin von Wenzel Anton, Maria Ernestine Starhemberg gemeint. Das Bett hat auch eine eigene Geschichte ... Man sagt, dass Napoleon nach seinem Sieg bei Austerlitz darin geschlafen habe. Nun hat Napoleon wohl im Schloss übernachtet, aber normalerweise nahm er immer sein eigenes Feldlager mit. Dennoch sagt man, dass das Bett zerschlagen wurde, nachdem Napoleon endgültig besiegt worden war. Allerdings soll man es später wieder zusammengesetzt und die fehlenden Teile ergänzt haben.
Ist das alles nur eine Erfindung, um das Mobilar interessanter zu machen? Bei der Restaurierung stellte man fest, dass das Bett tatsächlich aus verschiedenen Teilen besteht, die aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen. Und es gibt auch eine Inschrift: "Mit Gottes Hilfe wurde dieses Bett am 26. Juli 1865 von Johannes und Peter Petrovicz fertiggebaut."
  Das Deckenfresko im Schlafzimmer der Fürstin zeigt die drei Göttinen Aphrodite (mit dem goldenen Apfel, den sie als Schönste von Paris bekommen hat), Athene (mit Helm und Lanze) und schließlich Hera (mit der Krone als Himmelskönigin). Im Hintergrund sieht man Chronos (den Gott der Zeit) mit der Sense als Symbol der Vergänglichkeit. Tatsächlich ist ja sogar auch die Zeit dieser Götter vergangen.
Das nächste Zimmer ist wieder wegen seiner Gemälde interessant, hier sind sie jedoch alle Malereien religiösen Motiven gewidmet. Die Bilder vom Rubens-Schüler Antonio van Dyck (Porträts von Evangelisten) sind vielleicht die wichtigsten, zusammen mit der Maria Magdalena von Johann Liss.
Schließlich passieren wir noch den Damensalon, der ganz im Stil des Biedermeiers eingerichtet ist, also mit den Trends der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als auch das Bürgertum mehr Geld übrig hatte, um sich ein wenig Luxus zu leisten.
  Das nächste Zimmer heißt "der Saal der letzten Kaunitz", was aber nur bedingt richtig ist. Es ist Wenzel Kaunitz gewidmet. Wenzel war wohl der zuletzt geborene der Familie, aber sein Bruder Eugen überlebte ihn um sechs Jahre, bis 1919. Trotzdem ist der Saal mit den Möbelstücken von Wenzel und seiner zweiten Frau ausgestattet. Wenzel hatte sie zum großen Teil von seiner Mutter, Eleanora Voračicka von Bissingen, geerbt.
Ursprünglich war dieser Raum mit dem heutigen Rubens-Saal vereint. Da aber 1897 ein Brand ausbrach, der übrigens unter anderem viele Gemälde vernichtete, wurde eine Trennwand eingezogen. Der heutige Rubens-Saal hat aber wenig mit Rubens selbst zu tun. Es geht hier vielmehr um Kopien von Rubens-Gemälden, die allesamt Jagdszenen zeigen.
Über einen Gang geht es dann zur Schlosskapelle. Da sie zwei Stockwerke hoch ist und durch die vielen großen Fenster viel Licht in die Kapelle dringt, ist die Raumempfindung enorm.
Wir erkennen die illusorischen Kannelierungen der Wände wieder als Werk von Josef Pichler. Der Altar wurde 1774 von Franz Xaver Messerschmidt angefertigt. Ein Madonnenbild von Guido Reni und die Statue der schwarzen Madonna sind weitere Sehenswürdigkeiten.

Nun ist die erste Führung beendet, es gibt jedoch noch eine zweite, die man mit einem Kombiticket (oder auch einzeln) erwerben kann. Während die erste Führung hauptsächlich das Schloss der Mitglieder der Familie Kaunitz zum Inhalt hatte, zeigt der zweite Teil der Führung "historische Salons", wo man mit Hilfe von Einrichtungsgegenständen präsentieren will, wie der Adel zu verschiedenen Zeiten gelebt hat.

  

Es gibt hier zum Beispiel einen Wandteppich aus der Renaissance, einen "Napoleon-Saal" im Empirestil, einen Theatersaal und einen Blumensalon, und so weiter. Ich will jedoch nicht näher darauf eingehen, sondern nur ein paar Beispiele aus diesen Räumen zeigen.

 

Der Garten wurde von niederländischen Experten gleichzeitig mit dem Neubau des Schlosses konzipiert und gestaltet. Er wurde aber im 19. Jahrhundert im englischen Stil verändert, in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts erbaute man jedoch wieder die Fontänen und Teiche der ursprünglichen Form. Man stellte auch die Skulpturen der oft mythologischen Gestalten wieder an ihren früheren Plätzen auf. Nur die Orangerie ist für immer verschwunden.

  

Das Gartenareal erstreckt sich über fünfzehn Hektar. Aber auch hier will ich nicht auf Details eingehen, sondern zeige nur ein paar Bilder davon.
Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass ein Ausflug nach Austerlitz wohl der Mühe wert ist, auch wenn man nicht mit den Kaunitz verwandt sein sollte.

© Bernhard Kauntz, Wolvertem 2011



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Seite erstellt am 19.09.2011 by webmaster@werbeka.com