Schloss Belvedere


Das Schloss Belvedere liegt im dritten Bezirk von Wien. Wir betreten es von oben, von "hinten", vom Gürtel her, weil es meiner Ansicht nach von hier mehr Effekte bietet, auch wenn es eigentlich von unten her geplant war. 1714 bekam der große Barockbaumeister Lucas von Hildebrandt den Auftrag, das Schloss zu erbauen. Auftraggeber war Prinz Eugen von Savoyen, der große Feldherr, der die Türken über die ganze Balkanhalbinsel zurücktrieb und Europa damit von der Gefahr des türkischen Expansionismus befreite. Prinz Eugen, wie er in Wien genannt wird, wurde 1663 in Paris geboren und starb 1736 in Wien.
Er wuchs am Hof Ludwig XIV auf und wollte eine militärische Laufbahn einschlagen. Wegen seiner schmächtigen Gestalt lehnte der Sonnenkönig aber die Bewerbung ab. Daraufhin kam Eugen nach Österreich und bewarb sich bei Kaiser Leopold I. Seinen Ruf gewann er durch die siegreichen Schlachten bei Zenta (1697) und bei Peterwardein (1717), wobei er im Anschluss auch Belgrad von der Türkenbesatzung befreien konnte.


Zwei Fotos innerhalb von zwei Minuten und zwanzig Metern

Letzteres gelang vor allem, weil er Belgrad nicht, wie erwartet, vom Land her angriff, sondern eine Pontonbrücke über die Donau errichtete und die Stadt vom Fluss her einnahm.
Dieses Ereignis wurde sogar zu einem Volkslied, das in neun Strofen diese Tat besingt. Hier sind die ersten zwei Strofen mit der Brücke über die Donau.

Prinz Eugen der edle Ritter
wollt dem Kaiser wied'rum kriegen
Stadt und Festung Belgerad!
Er ließ schlagen eine Brucken,
daß man kunt hinüberrucken
mit der Armee vor die Stadt.

Als die Brucken nun war geschlagen,
daß man kunnt mit Stuck und Wagen
frei passir'n den Donaufluß,
bei Semlin schlug man das Lager,
alle Türken zu verjagen,
ihn'n zum Spott und zum Verdruß.

Er hatte ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Soldaten, die er persönlich in die Schlacht führte und dabei dreizehn Mal selbst verwundet wurde. Aber es waren nicht nur die militärischen Erfolge Eugens, die ihn beliebt machten - er soll außergewöhnlich "menschlich" gewesen sein - so behielt er zum Beispiel auch die Gärtner über den Winter, um ihnen ein Einkommen zu sichern.
1703 wurde er zum Präsidenten des Hofkriegsrates ernannt und zum Generalleutnant gemacht. Das war der höchste Titel, den man erreichen konnte. Neidische Leute fragen heutzutage, wo er all das Geld hernahm, aber ich stelle mir vor, dass er auf seinen Feldzügen genügend Beute machen konnte.

Maria Theresia und ihr Gatte Franz Stephan von Lothringen stehen im Oberen Belvedere
Als Eugen unverheiratet starb, hinterließ er sein ganzes Vermögen seiner Nichte Anne Viktoria von Savoyen, die jedoch nahezu das ganze Erbe versteigern ließ. Dagegen kam sie nicht einmal für das Grab im Stephansdom auf, das die Gattin seines Neffen, Maria Theresia Anna Felicitas Herzogin von Savoyen-Carignan, errichten ließ. Schloss Belvedere fiel später an die Habsburger, die es mehr oder weniger als Zweitwohnsitz benuzten.
Zum Beispiel wohnte Thronfolger Franz Ferdinand mit seiner Gattin, Sophie Gräfin Chotek, hier, bevor er in Sarajewo ermordet wurde.

Die Eingangshalle
Aber auch nach der Habsburgerzeit war das Belvedere Zeuge großen Staatsgeschehens. Kaum jemand, der es am 15. Mai 1955 selbst erlebt hat, wird jemals vergessen, wie Leopold Figl, der damalige Außenminister, nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages vom Balkon des Belvederes verkündete:
"Österreich ist frei!"
Zehn lange Jahre der Besatzungszeit waren endlich vorüber.

Die Prunktreppe
Auch heute kann es vorkommen, dass das Belvedere bei besonders hohen Anlässen noch repräsentativ verwendet wird. Hauptsächlich wird es heute jedoch als Museum für die Sammlungen der Österreichischen Galerie Belvedere verwendet, deren Schwerpunkt auf den österreichischen Malern des Fin de Siècle und des Jugendstils liegt. So werden hier zum Beispiel Bilder von Gustav Klimt und Egon Schiele ausgestellt - und es herrscht strengstes Verbot zu fotografieren.

Aber nicht nur österreichische Künstler findet man hier - auch Jacques-Louis Davids "Napoleon am St. Bernhard" gibt es hier - und nicht zuletzt eine Statue von Renoir, nämlich die "Siegreiche Venus". Daran gefällt mir die Einfachkeit der Ausführung. Nur der Apfel in der Hand, den sie von Prinz Paris bekommen hat, erklärt den Titel, der ja schließlich zum Trojanischen Krieg führt.

Eigentlich war das Obere Belvedere ursprünglich nur als optischer Gartenabschluss gedacht, etwa wie die Gloriette in Schönbrunn. Und auch wenn die Anlage zur Sommerresidenz von Prinz Eugen wurde, wohnte er im Unteren Belvedere, während der obere Teil hauptsächlich der Repräsentation diente. Der dazwischen liegende Garten wurde bald nach dem Erwerb des Grundstücks, etliche Jahre vor den Gebäuden, angelegt.

Die Gartenanlage ist schon seit 1780 der Öffentlichkeit zugänglich. Der Name Belvedere kommt von der schönen Aussicht über die Stadt Wien (zu Eugens Zeit lag dieser Grund ja noch ein gutes Stück außerhalb der Stadtmauer).
Die vielen Wasseranlagen verleihen dem Park eine Leichtigkeit, was den strengen und symmetrischen Aufbau des Gartens unterbricht. Zwei der großen Brunnen befinden sich auf der "Hauptstraße" zwischen Oberem und Unterem Belvedere.
Sie bilden einen Sockel für das obere Gebäude, wenn man von unten hinaufblickt und ergänzen die Harmonie.

Leider entspricht der Service im Belvedere noch lange nicht der Schönheit der Anlage. Bevor wir den oberen Teil des Schlosses besichtigten, wollten wir einen schnellen Imbiss haben. Es dauerte 45 Minuten, bevor wir den bestellten Sandwich bekamen und bezahlt hatten.
Noch schlimmer war es im unteren Café. Die Ausstellungen sind bis 18 Uhr geöffnet. Eine Viertelstunde vorher wollten wir (im freistehenden) Café noch etwas trinken. Aber wir wurden vom Servicepersonal nicht bedient, "weil man bald zusperren würde". So geht es natürlich nicht. Das trübt den ganzen Nachmittag im Belvedere, auch noch Monate nachher - und es ist auch ganz untypisch für Wien. Man sollte sich schämen und schleunigst besseres Personal anstellen!

Der untere Teil des Schlossparks ist nicht abschüssig und wird seitlich von labyrinthartig geschnittenen Gängen geprägt, während unter anderem Statuen der Musen (im Bild Urania) den Hauptweg flankieren.
Das Untere Belvedere wird heute vor allen Dingen für diverse, einander abwechselnde Ausstellungen verwendet, aber man sollte darüber nicht vergessen, auch die Räume an sich zu bewundern. Viel Gold und viele Spiegel lassen den Reichtum Prinz Eugens ermessen. Auch der Marmorsaal, ein Gegenstück zu dem im oberen Teil, ist ein Prunkstück an sich.
Nicht zuletzt aber steht dort auch das Original des "Donnerbrunnens", dessen Kopie heute am Neuen Markt steht. Eigentlich heißt er Providentiabrunnen (Providentia = Vorsehung, Versorgung - vgl. engl. "provider"), aber das war zu umständlich. Deshalb nannte man den Brunnen nach seinem Erbauer, Rafael Donner. Ganz oben in der Mitte thront die Providentia, umgeben von vier Nebenflüssen der Donau, nämlich Traun, Enns, Ybbs und March. Auf dem Bild sehen wir die Flussgöttin der March, die sich an einen Steinblock mit einem Schlachtrelief lehnt, weil das Marchfeld geschichtlich ein heiß umkämpfter Boden ist.
Ein Besuch im Belvedere ist daher nicht nur der Gemälde wegen anzuraten, sondern ist ein Rundumerlebnis, bei dem Sie mit etwas Glück sogar im Café bedient werden könnten.


© Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009



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Seite erstellt am 14.10.2009 by webmaster@werbeka.com