DIE BURG VON VEVES


Die Burg von Vêves liegt auf dem alten Weg zwischen Dinant und Rochefort, daher war dieser Platz auf der Anhöhe von strategischer Bedeutung. Vêves ist auch ein Teil der Gemeinde von Celles, einem Platz mit wahrlich alten Traditionen. Schon Mitte des 7. Jahrhunderts zog sich hier der Mönch Hadelinus in eine Klausur zurück. Klausur leitet sich vom lateinischen "cella" ab, daher bekam der Ort seinen Namen.
Pippin der Mittlere, auch Pippin von Herstal genannt, soll ein halbes Jahrhundert später diesen Platz in der Nähe des Klosters für seine Burg gewählt haben. Mehr ist über die alte Geschichte nicht mehr bekannt und auch spätere Ereignisse sind nur lückenhaft erhalten. Wir wissen aber, dass das Gebäude um das Jahr 1200 zerstört und 1230 wieder aufgebaut wurde. Damals waren die Lehensmänner schon die Herren von Beaufort. Anfang des 15. Jahrhunderts zerstörte ein Brand abermals Teile der Festung, die aber umgehend wieder instand gesetzt wurde. Später wurde die Burg mehrmals umgebaut und restauriert.
Louis von Beaufort nahm 1466 an der Belagerung von Dinant (siehe: die Zitadelle von Dinant) teil, als Karl der Kühne diese Stadt vollkommen verwüstete. 1609 entdeckte ein Holzfäller eine Statue der Jungfrau Maria im Stamm einer Eiche, als er diese gefällt hatte. Die Statue wurde in die Burg gebracht, die nachher zu einem Wallfahrtsort wurde, bis die Burgbesitzer an der Stelle der Eiche eine Kirche errichten ließen. Dort steht heute noch die Kirche Notre-Dame de Foy.
1761 heiratete die Gräfin Marie-Robertine de Beaufort den Grafen von Liedekerke, Jacques-Ignace de Gavre. Deren Sohn, Hilarion de Gavre, der erste Graf von Liedekerke Beaufort, heiratete Julie, Tochter des Vicomte Desandrouin, Oberkämmerer der Österreichischen Niederlande, und Enkelin des Grafen von Neny, Ratspräsident der Österreichischen Niederlande.
Der Enkel dieses Hilarion, mit demselben Namen, war sehr engagiert in der belgischen Politik. Er verhandelte unter anderem das Konkordat zwischen Österreich und den Kirchenstaaten. Dessen Enkel, wieder mit demselben Namen, gründete einen ideellen Verein, um die Burg der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Der heutige Graf von Beaufort Liedekerke ist ein Enkel des Letzteren und trägt erneut Namen Hilarion. Interessanterweise hatten aber die Generationen dazwischen andere Namen.
Gleich beim Eintritt in das Schloss wird man mit dem 18. Jahrhundert konfrontiert.
Ein großer Schmiedeblasbalg, mit der Jahreszahl 1793 eingemeißelt, liegt in einer Nische (Bild oben links) und auf der anderen Seite kann man eine unversehrte Flasche Wein aus dieser Zeit sehen. Diese hat man bei den letzten Renovierungsarbeiten gefunden. Noch älter sind der Morgenstern und die eisernen Handschuhe aus dem 16. Jahrhundert. Letztere gehörten einem jungen Prinzen und wurden von Prinz André de Bourbon-Parme geschenkt.
Der Burgfried mit seinen drei Meter dicken Mauern ist ein Teil der ursprünglichen Festung aus dem 13. Jahrhundert.
Wir gehen an ihm vorbei in den großen Saal, der ursprünglich als Rüstkammer benützt wurde. Damals kam das Licht im Raum nur durch kleine, runde Löcher in der Wand. Erst nach dem Mittelalter wurden die heutigen, großen Fenster eingesetzt. Der Sandsteinboden hier stammt noch von der Restauration nach dem Brand im 15. Jahrhundert. Beim Eintritt fällt der Blick zunächst auf die gegenüberliegende Wand, wo eine große Ahnentafel den meisten Platz einnimmt. Sie entstand zur Zeit von König Ludwig XV und enthält die Ahnen der französischen Könige.
Das Schwert rechts daneben ist ganze 179 Zentimeter lang und daher vermutlich ziemlich schwer. Darüber hängen fünf Familienwappen, darunter die von Liedekerke (rechts) und Beaufort (in der Mitte), sowie von verwandten Familien. Das zweite von rechts gehört der Familie La Tour du Pin. Der zweite Graf von Liedekerke Beaufort, Auguste, heiratete nämlich Charlotte (1792-1822), die Tochter der Marquise de la Tour du Pin Gouvernet. Letztere Dame ist bekannt für ihr "Tagebuch einer 50-jährigen Frau". In dem schrieb sie ihre Erinnerungen nieder, als sie - als Hofdame von Marie-Antoinette - die Französische Revolution und den folgenden Terror miterlebte, bevor sie auch ihre Auswanderung nach Amerika beschrieb.
Auf der Wand der Eingangstür gibt es neben dem Kamin eine Sammlung von Aquarellen, die die Kleidung der Familie zeigen, vom 11. Jahrhundert an, bis zum ersten Weltkrieg.
Auf den kleineren Bildern oben sehen wir links Graf la Tour du Pin als Feldmarschall im Jahr 1763. Daneben sehen wir Oberst Graf Aymar de Liedekerke Beaufort gegen Ende des 19. Jahrhunderts - in der Offiziersuniform der Chasseurs d'Afrique.
Es gibt noch eine historische Persönlichkeit in diesem Raum. Die Äbtin von Nivelles, Marguerite de Gavre (ca. 1408 - 1462), ist nämlich auf einem Stich zu sehen. Es ist dies die einzige belgische Reproduktion, die es heute gibt.
Bevor wir mit der Besichtigung der anderen Räume beginnen, fällt noch eine Tafel mit einer Einführung in die Heraldik auf. Es gefällt mir, dass man auch unerfahrenen Besuchern die Möglichkeit bietet, sich ein wenig zu vertiefen. Wie im ganzen Schloss, zeugt dies davon, dass man die Besichtigung mit Umsicht gestaltet hat. Das ist nicht überall so ...

Während der letzten Restaurierung (1969 - 1979) der Burg wurden die Wohnräume mit authentischen Möbeln aus dem 18. Jahrhundert ausgestattet, die die Gräfin Athénaïs de Mortemart geschenkt hatte.

Die einzelnen Zimmer sind mit Nummern versehen und haben ausführliche Informationen über die Gegenstände und die Bilder, die es zu sehen gibt.
Wir befinden uns jetzt im Desandrouin-Saal. Die beiden Kinderfauteuils mit Armlehnen sind äußerst ungewöhnlich. Das Spieltischchen rechts hat ein Schachbrett als Einlegearbeit und der Lehnstuhl im Fenster hat eine lange Sitzfläche, sodass man darin fast liegen kann.
Es gäbe natürlich noch viel zu erwähnen, aber ich kann hier schließlich nur eine kleine, subjektive Auswahl treffen.
Das nächste Zimmer ist der Salon, der dem ersten Grafen von Liedekerke-Beaufort, Hilarion de Gavre gewidmet ist. Das Rauchertischchen ist mit einer Glasplatte abgedeckt, sodass man die Tischplatte nicht verbrennen kann.
Im Glasschrank befindet sich ein ausgesuchtes Porzellanservice aus Sèvres, mit Motiven von Obst, Vögeln sowie mythologischen und Liebesszenen.
Wir gehen an der Kapelle vorbei, in der sich die im Baum gefundene Marienstatue lange Zeit befand, bevor sie in die Foy Notre Dame, die heutige Kirche im Ort, gebracht wurde.
Danach kommen wir in ein Schlafzimmer, wo wir ein sehr seltenes Möbel bewundern können, nämlich einen Frisiertisch für Männer. Das ganze Zimmer ist mit Möbeln im Louis XVI Stil eingerichtet.
Im Zimmer gibt es auch an den Wänden interessante Dinge zu betrachten, zum Beispiel Drucke, die zeigen, wie eine Perücke gemacht wird - oder Abdrucke der Fahnen vom Dillon Regiment, das Graf Arthur Dillon als Oberst kommendierte. Ihm wurde in der Französischen Revolution dasselbe Schicksal zuteil, wie seinem König.
Hinter einer der Türen gibt es eine Stiege, die bis zur Turmspitze hinauf führt. Dieser Weg war aber lange verdeckt gewesen und wurde erst bei der Restauration der Burg wieder entdeckt. Die Stiege ist allerdings dem Besucher nicht zugänglich.
Danach geht es am kleinen Vorzimmer vorbei in den Salon "La Tour du Pin". Dieser Raum wurde 1994 von der jetztigen Gräfin neu gestaltet. Über dem Kamin hängt ein Bildnis des Marquis de la Tour du Pin, der zusammen med Talleyrand unter König Ludwig XVIII Frankreich beim Wiener Kongress repräsentierte. Damals, 1814/15, galt es, Europa neu zu gestalten, nachdem Napoleons Gräueltaten endlich beendigt worden waren. Auf dem Kaminsims steht auch eine Bronzestatue von Phylis de la Tour du Pin, die unter Ludwig XIV als Soldatin diente. Außerdem gibt es dort ein Foto des heutigen Grafenpaares. Die Sessel auf dem nächsten Bild (unten) stammen aus der Zeit Ludwig XV, während der Rest der Möbel den Stil Ludwig XVI zeigt.
Links neben dem Sekretär ist ein Bild des Schiffes, auf dem die Marquise de la Tour du Pin während der Revolution nach Amerika fliehen konnte. Auf dem kleinen Tischchen vor dem Paravent (links) steht ein Hochzeitsfoto des Grafenpaares.
Dann geht es an einem kleinen Büro vorbei und die Stiege hinunter, wo wir uns im Speisesaal wiederfinden. Dort ist die Tafel für acht Personen gedeckt. Das Spitzentischtuch stammt aus Calais aus dem frühen 19. Jahrhundert. Über dem Kamin hängt ein Bild von Schloss Vêves und über den Türen gibt es weitere vier Schlösser, die einmal im Besitz der Familie waren.
Durch die Tür rechts sehen wir schon in den nächsten Raum, den Salon Château Celles Vêves. Dort gibt es ein Foto von Hadelin, Graf Liedekerke Beaufort unter einer Tafel mit allen seinen Medaillen.
Darunter gibt es noch ein Foto von ihm, das ihn mit dem kaiserlichen Prinzen von Japan zeigt, als dieser 1989 das Schloss besuchte. Das große Bild an der Wand mit dem ländlichen Motiv stammt von dem flämischen Maler Verboeckhoven aus dem 19. Jahrhundert.
Auf den Lehnen der Sessel aus der Zeit Ludwig XV sind verschiedenartige japanische Motive zu sehen, während die auf den Sitzen alle dasselbe zeigen.
And der Wand hängt ein Gobelin, der ein mythologisches Motiv trägt, nämlich Perseus und König Atlas. Die Sage erzählt, dass Perseus auf dem Weg nach Hause, als er Medusa getötet hatte, von den Winden in das Königreich von Atlas verschlagen wurde. Er fragte Atlas um Obdach, das ihm dieser jedoch verweigerte, weil ein Orakelspruch ihm weisgemacht hatte, dass ein Sohn des Zeus die goldenen Äpfel im Garten der Hesperiden stehlen würde. Er konnte ja nicht wissen, dass es nicht Perseus, sondern Herakles sein würde, der schließlich die Äpfel stahl.
Auf jeden Fall verärgerte er Perseus so sehr, sodass ihm dieser das schlangenhaarige Haupt der Medusa vor Augen hielt, das alle, die es ansahen, versteinerte. Heute werden wir noch durch das Atlasgebirge in Nordwestafrika an diese Tat erinnert.
Die Wanduhr hat Kupferintarsien auf Ebenholzgrund.
Die nächsten zwei Räume sind wieder Familienmitgliedern gewidmet - der erste Leutnant Aymar de Liedekerke Beaufort, der ein Opfer des Ersten Weltkriegs wurde, sowie seinem Bruder, Graf Hadelin III, der auch Präsident der IAF (International Automobile Federation) war.
Der zweite Raum soll an Graf Christian erinnern, den Vater des heutigen Grafen, der ein großer Bücherfreund und Historiker war. Nicht zuletzt aber galt sein Interesse der Restauration von Burg Vêves.
Wir schließen den Rundgang in der Küche ab, dem ältesten Teil der Burg, der noch aus dem 13. Jahrhundert stammt. Der Brotofen ist ein stolzes altes Stück. Aber nicht zuletzt der Grill, ein in Stein versenktes Gitter über dem Feuer, ist sehenwert. Auch diverse andere Utensilien, wie ein Mörtel, eine Zitruspresse oder eine Getreidemühle zeigen, wie es früher in einer Schlossküche ausgesehen hat.
Die Burg von Celles-Vêves hat einen hohen Sehenswürdigkeitswert und ich kann Ihnen einen Besuch nur wärmstens empfehlen.

copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2011


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last update: 8.8.2011 by webmaster@werbeka.com