Das Dalí-Museum in Figueras


Schon der erste Eindruck des Museums ist eine bleibende Erinnerung. Die "Eier" auf dem Dach stechen von der Umgebung ab und geben einen Vorgeschmack auf das Werk Dalís. Zwölf Euro Eintritt mag viel erscheinen, aber dann sind auch Dalís Juwelen im Preis inbegriffen, ein zweites Museum, das allein schon das Ticket preiswert erscheinen lässt.
Bevor man das Museum betritt, sieht man sich der Kirche San Pere gegenüber, in der Dalí getauft wurde, was er immer betont hatte. Rund um das Museum sind auch Denkmäler aufgestellt.
Sie sollen Bekannte des Künstlers ehren, aber auch zum Beispiel Isaac Newton, denn Dalí hatte außergewöhnliche Hochachtung für die Naturwissenschaften. Er selbst gab die Richtlinien für das Museum als Gesamtkunstwerk an. Es wird als Theater-Museum vorgestellt, nicht zuletzt weil das Gebäude frei wurde, nachdem das alte Stadttheater durch ein Feuer zerstört worden war. "Eine andere Blickweise ist ein Teil von dem, was wir finden", heißt es in der Einleitung zum Museum-Guide. 1974 wurde das Museum offiziell eröffnet. Dalí wohnte auch selbst hier zwischen 1984 und seinem Tod fünf Jahre später. In diesen Räumen werden heute die Werke seiner letzten produktiven Jahre gezeigt. Doch später mehr darüber. Jetzt gehen wir erst einmal hinein.

   Die Harmonie der Sphären. Stereoskopisches Werk
   in einem einzigen Element. 1979
Vom Vestibül, wo zahlreiche Plakate und Ähnliches an diverse Ausstellungen, beziehungsweise andere Künstler erinnern, kommt man in den Innenhof, wo man zum ersten Mal tief durchatmet. So gewaltig ist nämlich der Gesamteindruck. Zuerst fällt das Auge natürlich auf die Esther, ein Geschenk von Ernst Fuchs, deren Zwillingschwester ich schon aus der Wagnervilla in Wien kenne. Sie steht auf einem Auto, einem alten Cadillac. Der Wagen war ein Geschenk Dalís an Gala. Heutzutage wird das Auto "Regentaxi" genannt, denn wenn ein Besucher eine Münze einwirft, beginnt es im Inneren zu regnen. Genau hinter der Frauenfigur, sodass es beim Eintritt wie eine Verlängerung der Statue gesehen wird, erhebt sich eine Säule, die Galas Boot trägt, von dessen Unterseite große, blaugefärbte Wassertropfen hängen. Und das ist nur der Anfang. In den zahlreichen Fensternischen, die den Hof umgeben, stehen vergoldete Schaufensterpuppen. Andere Skulpturengruppen sind im ganzen Hof verteilt.
Schließlich sieht man durch die Glaswand hinter Esther einen riesigen Bühnenhintergrund, den Dalí für das Ballett "Labyrinth" erschaffen hatte. Das Gemälde misst stattliche 8,8 mal 13 Meter. Es gäbe noch viele Kleinigkeiten zu erwähnen, die das Gesamtbild gestalten - aber ebenso wie dort die Zeit fehlt, um alles genau zu betrachten, fehlt hier der Platz, um detailliert darauf einzugehen. Es war die Maxime des Künstlers "immer anzusammeln und nichts auszuwählen, weil Zeit und Raum schon dafür sorgen würden, dass der Rest geordnet werde".
Wir gehen statt dessen weiter und befinden uns nun hinter oben genannter Glaswand, in einem Raum, der einst die Bühne des Stadttheaters gewesen war. Hier stehen wir unter der Glaskuppel des Museums. Hier wollte Dalí auch begraben werden. Wie der Mann es schaffte, seine tiefe religiöse Gläubigkeit mit dem Glauben an die Wissenschaft zu vereinen, begreife ich nicht. Aber vielleicht musste er gerade deshalb zum Surrealisten werden.
So konnte er nämlich seine hyperexakte Malweise (Wissenschaft) oft mit der Unbegreiflichkeit der Darstellung (Religion) verknüpfen.
Auch hier gibt es eine Vielzahl von Details, für die man, um alles zu betrachten und zu verstehen, wohl ein paar Stunden verweilen müsste. So sind zum Beispiel, von der Decke herabhängend, zwei Hände montiert, die an Michelangelos Fresko in der Sixtinischen Kapelle erinnern, in "Die Erschaffung Adams". Dalí bemerkte dazu, dass sein Werk den Vorteil hatte, den Platz wechseln zu können.
Hier hängt auch eines seiner vielleicht bekanntesten und bahnbrechensten Werke, nämlich "Die nackte Gala betrachtet das Meer, was sich in einer Entfernung von achtzehn Metern in das Bildnis Abraham Lincolns verwandelt". Das Bild wurde 1975 gemalt und nimmt die Pixelauflösung der digitalen Fotografie vorweg. Er hatte noch keinen Computer, um eine Pixelauflösung herzustellen, sondern er musste alles selbst erdenken.
Außerdem musste er die fertige Vision im Voraus im Kopf haben, um beide Bilder zusammen komponieren zu können.
Es ist auch interessant, das erste Original dieses Werkes zu sehen. Dalí malte ein Jahr später noch eine zweite Version, mit kleinen Änderungen. Dieses Gemälde hängt heute in einem Museum in Florida. Daher gehen auch die meisten Bilder am Internet von dieser zweiten Variante aus. Abgesehen davon schuf Dalí auch eine Lithografie mit limitierter Auflage von diesem Bild. Heute wird diese allerdings als die meistgefälschte von Dalís Lithografien angesehen ...
Wir kommen an ein paar von Dalí entworfenen Schmuckstücken vorbei, die ebenfalls in diesem Teil des Museums ausgestellt sind. Das sollte Sie jedoch nicht daran hindern, das Juwelenmuseum auch zu besuchen. Auch hier, wie in so vielen seiner Werke, findet man eine Anknüpfung zu Gala, seiner Frau. (Das Medaillon, das der Pfau auf seinem Kopf trägt.)
Gala wurde übrigens in Kazan in Russland geboren, und zwar als Elena Ivanovna Diakonova.
Wir gehen dann in den Schatzsaal, von Dalí selbst so benannt, weil sich in dem mit rotem Samt ausgekleideten Raum die Werke befinden, die der Künstler als seine wichtigsten angesehen hat. Es überrascht ein wenig, dass die allermeisten Bilder in ziemlich kleinen Formaten gehalten sind. Dem Eingang gegenüber ist der Brotkorb. Dieses Bild wurde zum Symbol für die Nachkriegshilfe für Europa, den sogenannten Marshall-Plan. Links und rechts davon sind zwei sehr bekannte Gemälde von Gala "Gala von hinten", beziehungsweise "Leda atomica".
Dalí wollte nicht, dass die Ausstellung in irgendeiner chronologischen Ordnung aufgebaut sein solle.
Spätestens beim Betreten des nächsten Saales hat man die räumliche Orientierung verloren. Ein wenig tragen auch die vielen Besucher dazu bei, dass man die Übersicht verliert. Nicht zuletzt die vielen Schulklassen, deren Mitglieder kreuz und quer nach links und nach rechts laufen, machen die Empfindung ein wenig chaotisch. Dennoch bleibt das Museum ein vergleichsloses Erlebnis.
Wir gehen an einer Pieta von 1982 vorbei, um ein paar Schritte weiter die "lächelnde Venus" von 1921 zu finden. Es ist interessant zu sehen, dass Dalí in jungen Jahren verschiedene Stilrichtungen ausprobierte, wie zum Beispiel teilweise den Pointilismus (Baum, Wasser) bei der Venus.
Innerhalb des Museums gibt es auch Räume, die die Werke verschiedener anderer Künstler zeigen.
Nachdem man an der dritten Treppe vorbeigegangen ist (oder war es vielleicht immer dieselbe?), beschließt man, sie hinauf zu gehen. Dann kommt man in den Mae West-Saal. Jeder Dalí- Liebhaber kennt sicher das Werk "Gesicht der Mae West, das als Wohnung benutzt werden kann". Auf dem Bild rechts sieht man nur Nase und Mund (sowie den unteren Rand der zwei Bilder, die als Augen dienen). Außerdem hängt gelb wallendes "Haar" von der Decke herab. An eine Wand gelehnt gibt es auch eine kleine Treppe. Steigt man hier hinauf, sieht man das ganze Gesicht als Einheit.
Mae West war eine amerikanische, kontoversielle Schauspielerin der Zwischenkriegszeit. Ganz richtig entstand auch die Installation in den Dreißigerjahren. An der Decke des Saales findet man ein "Umgekehrtes Bad", wo eine Badewanne mit der Öffnung nach unten aufgebaut ist, mit Seitentischchen, auf denen eine Seife liegt, eine Lampe "steht", und so weiter. Das Badezimmer wurde aber erst viel später, 1977, installiert. Natürlich sind auch in diesem Raum an den Seitenwänden und Nischen diverse Statuen und Gemälde ausgestellt.
Auf der Treppe zum zweiten Stock stößt man wieder auf eine Installation, das "Antropomorphe Antlitz". Der große Mund führt zum Antoni Pitxot-Saal. Pitxot half Dalí beim Design des Museums. Der Freund bekam dafür eine permanente Ausstellung in ihm und wurde nach Dalís Tod sein Direktor. "Jeder Stein ist Information" ist einer von Pitxots Wahlsprüche. Kein Wunder, dass so viele seiner Gemälde Figuren sind, die aus Steinen aufgebaut sind.

Im dritten Stock gibt es dann den Saal der Meisterwerke, in den sich Bilder von Malern befinden, die Dalí selbst sammelte. Hier finden wir zum Beispiel einen weiblichen Akt von Adolphe William Bouguereau, aber auch ein Bildnis vom Apostel Paulus, gemalt von El Greco. Im Bild unten sehen wir "Die Spinnerin" von Gerard Dou.
Dieser Maler war ein Schüler Rembrandts - "Die Spinnerin" ist auch unter dem Titel "Bildnis von Rembrandts Mutter" bekannt. Es gibt hier noch viele weitere Werke, auf die einzugehen zuviel Platz fordern würde.
Wir gehen daher weiter in den "Windpalast". Dieser Saal hatte für Dalí eine besondere Bedeutung, da er hier zum ersten Mal, als Vierzehnjähriger, mit zwei anderen Malern aus Figueras an einer Sammelausstellung teilnahm. Das größte Bild, die ganze Decke ausfüllend, zeigt Gala und Dalí von unten, wie sie zum Himmel emporsteigen. Allein der Himmel ist nicht der Himmel, sondern die Bucht von Rosas, nicht weit von Figueras entfernt. Diese Gegend hat Dalí in vielen seiner Werke implantiert. Unterhalb der Decke gibt es gibt es Basreliefe, die die Symbole der Kunst und der Wissenschaft zeigen.
Auch hier gibt es viele Werke, die erwähnenswert wären, wir begnügen uns mit ein paar Beispielen. Ein Selbstportait, in einem von Dalí selbst ausgesuchten Rahmen, steht hier, beziehungsweise eine Zeichnung von 1943, "Studie zu Galarina". Ein Zitat von Ingres ist unter dem Bild eingefügt: "Die Zeichnung ist die Integrität der Kunst".
Es ist aber beileibe nicht so, dass hier nur die Zeichnungen und Malereien sehenswert sind. Es gibt auch jede Menge Installationen, in denen Möbel oder Gebrauchsgegenstände verwendet werden. Oder die Rückenlehne eines Sofas, das sich ebenfalls hier befindet, auf die Dalí eine Landschaft des L'Empordà gemalt hat. Das Empordà, oder auf Deutsch Ampurien, ist eine Region in Katalonien, in der Figueras einer der Hauptorte ist.
Über dem muschelförmigen Bett aus dem 19. Jahrhundert, das aus einem Pariser Bordell stammt, befindet sich ein Wandteppich mit den "weichen Uhren" des Künstlers.
Das ist eines seiner bekanntesten Werke, das die Vergänglichkeit der Zeit veranschaulichen will. Ein stereoskopisches Beispiel zu dem Buch "Zehn Rezepte zur Unsterblichkeit" von 1973 wird auf einem Tischchen präsentiert.

An einer Wand hängt schließlich hängt ein Plakat, das Dalí für die französische Nationallotterie anfertigte. In dem grünen Kreis in der Mitte kann man sogar das Gesicht der Göttin Fortuna sehen.
Bevor wir zum letzten Teil des Museums kommen, dem "Torre Galatea", gehen wir an der Nachbildung des Rundtempels von Bramante vorbei. Das Original des Tempels befindet sich in Rom, im Klosterhof der Kirche San Pietro in Montorio. Der Tempel wird auch als "Vollendung der Hochrenaissance" bezeichnet. Die Nachbildung wurde von dem Multimillionär Arturo López-Wilshaw gestiftet. Dalí wollte, dass dieser Platz geheimnisvoll wirken solle und sperrte daher das Tageslicht aus. In rot und gold gehalten, zeigt der Tempel Schmuckstücke, die der Meister in den Siebzigerjahren entworfen hatte.
Im anschließenden Torre Galatea finden wir optische und stereoskopische Spiele, von denen Dalí sich schon seit seiner Kindheit angezogen fühlte. Er behauptete: "Die Stereokopie macht die Geometrie unsterblich und erkennt sie an, da wir durch sie die dritte Dimension der Kugel besitzen."

In dieser Abteilung werden die späten Werke Dalís gezeigt, nicht zuletzt weil er hier die letzten Jahre seines Lebens verbrachte. Durch ein Fenster beobachtete Dalí den Gang der Sonne über die Mauern des Museums und welche Formen dabei entstanden. Er bat deshalb, dass man die Gestalt der Mauern nie verändern solle, ein Wunsch, der ihm bis heute erfüllt wurde.

Völlig unabgesehen davon, was man von den Werken dieses Mannes hält (viele Menschen sehen nur die Form und nicht den Inhalt) ist ein Besuch des Museums angeraten.

Wichtig dabei ist aber, dass man sich genug Zeit nimmt, um das Museum als Einheitserlebnis würdigen zu können. Das ist schließlich auch in Salvador Dalís Sinn.
Abschließend habe ich noch ein paar Bilder, die man ebenfalls im Torre Galatea finden kann:
Links unten sehen wir wieder ein Vexierbild: "Fünfzig abstrakte Bilder, die sich, aus zwei Meter Entfernung gesehen, in drei als Chinese verkleidete Lenins verwandeln, aber aus sechs Meter Entfernung als das Haupt eines Königstigers erscheinen."

Rechts unten ein Bild mit dem katalanischen Titel: "Cuant cau, cau" - Wenn es fällt, fällt es.

Michelangelos Kopf von Giulio de Medici, diente Dalí als Vorlage für das Bild oben links. Es war eines seiner späten Werke und blieb unbetitelt. Oben rechts finden wir die Erscheinung der Aphrodite von Knidos.

© Bernhard Kauntz, Wolvertem, Belgien 2013


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30.5.2013 by webmaster@werbeka.com