Der Palazzo Vecchio


Schön ist er ja nicht, der Palazzo Vecchio, wenigstens nicht in meinen Augen. Der viereckige Block gleicht einer Festung und der Turm da oben sieht aus wie ein fremdartiger Auswuchs. Aber wenn man andererseits bedenkt, dass man schon 1299 mit dem Bau begonnen hatte, dann wird das festungsartige besser verständlich. Schon damals diente er der Stadtregierung und auch heute ist hier noch der Sitz des Bürgermeisters von Florenz.
Vermutlich wurde das Gebäude ursprünglich von Arnolfo di Cambio erbaut, der um den Anfang des 14. Jhd. der tonangebende florentiner Architekt war. Die Bauzeit der ersten Fassung des Palazzos dauerte nur drei Jahre, aber er wurde später öfter umgebaut oder vergrößert. Schon am Anfang des 14. Jhd. war auch der Turm fertig. Seit 1344 hängt dort eine Stadtglocke.
1433 wurde Cosimo dei Medici (der Alte) aus der Stadt verbannt, kam aber schon im Jahr darauf zurück. Damit kam das Haus Medici an die Macht.
Die guten Verbindungen zum Papsttum und die Bank dei Medici halfen ein Imperium zu erschaffen, das weit über Florenz hinaus reichte. Leo X war dann der erste der Familie Medici, der selbst Papst wurde. 1532 erhob Kaiser Karl V Alessandro dei Medici zum Herzog. Damit war die Zeit der Republik in Florenz vorbei. Alessandro wurde 1537 ermordet und der erst 17jährige Cosimo I wurde sein Nachfolger. Er zeigte jedoch von Anfang an viel Pondus und erwählte bald den Palazzo zu seinem Wohnsitz. Damit drückte er auch aus, dass er als Person die Alleinregierung der Stadt übernommen hatte. 1550, zehn Jahre später, als sich seine Position gefestigt hatte, zog er in den Palazzo Pitti um und der Palazzo Vecchio (der alte) bekam auf diese Art seinen Namen. Bis dahin hatte er Palazzo della Signoria (= Stadtverwaltung) geheißen. Unter Cosimo I geschahen viele Umbauten, erst mit dem Architekten Tasso, ab 1555 aber mit Giorgio Vasari, der großen Einfluss auf die Gestaltung hatte.
1737 fiel das Großherzogtum der Toskana an das Haus Habsburg. Kaiser Karl VI "überredete" seinen späteren Schwiegersohn Franz Stephan von Lothringen auf Lothringen zu verzichten (sonst hätte er Maria Theresia nicht heiraten dürfen) und verlieh ihm statt dessen die Toskana. Mit kurzer Unterbrechung zur Zeit Napoleons blieb Florenz dann unter der Herrschaft der Habsburger, bis Italien 1859 ein Nationalstaat wurde. 1865 bis 1871 war Florenz sogar der Sitz des italienischen Parlaments.

Nachdem wir die Geschichte sozusagen von außen betrachtet haben, betreten wir nun den Palast. Gleich beim Eintritt kommt man in den Innenhof, den Michelozzo 1453 in einen Renaissancehof umgestaltet hatte und in dem Vasari 1557 einen Porphyrbrunnen anlegte. Die Spitze des Brunnens ziert (eine Kopie von) Verrocchios "Putte mit Delfin". Das Original ist im Inneren des Palazzos zu finden.

Rundum an den Wänden sind - die leider nicht mehr allzu gut erhaltenen - Malereien von vierzehn Städten des Habsburgerreiches, hier unten im Bild sieht man Wien. Aber auch die Ausschmückung der Decke ist nicht ohne.
Nach einem Besuch im Buchshop geht es dann über die klassisch einfach gehaltene Monumentaltreppe von Vasari hinauf in den ersten Stock. Dort kommt man zunächst in den Saal der Fünfhundert. Erdacht wurde dieser Saal vom Dominikanermönch Savonarola gegen Ende des 15. Jhd. Es war der Sitzungssaal des Stadtrats. Aber schon ein halbes Jahrhundert später wurde er von Cosimo I und Vasari vollkommen neu gestaltet und zu jenem Prunksaal gemacht, den wir heute sehen. Hier galt es natürlich, seine Macht und sein Geld zu zeigen. Das Bild wurde einen Stock höher - von der Galerie aus - gemacht.
Die großen Fresken, die sich über beide Längsseiten hinziehen, zeigen Schlachten aus der Geschichte, die von den Florentinern gewonnen wurden, aus den Kriegen gegen Pisa und Siena. Die Kassetten am Dach wurden von Batisti Botticelli geschnitzt (nicht mit Sandro verwechseln!) und von Vasari mit Gehilfen bemalt. In der Mitte befindet sich ein Rundbild mit der Apotheose (= Verherrlichung) von Cosimo I.
Vinzento de' Rossi ist der Urheber der Statuen mit den Herkulesarbeiten, die entlang den Wänden aufgestellt sind. Auch der "Sieg" von Michelangelo und "Das siegreiche Florenz über Pisa" vom flämischen Bildhauer Giambologna stehen hier.
Ein besonderer Blickfang ist natürlich das Podium, das Cosimo I errichten ließ, um einen erhabenen Auftritt zu gewährleisten, wenn er sich öffentlich zeigte. Papst Leo X hebt segnend die Hand in der Mittelnische, umgeben von anderen Potentaten der Medici. In der Nische rechts vom Podium krönt Papst Clemens VII Kaiser Karl V.
Letztere Statue ist nicht unwichtig, denn sie zeigt den Kaiser, wie er vor einem Mitglied der Familie sein Haupt neigen muss.
Der erste Stock beherbergt außerdem noch die Säle von den Päpsten Leo X, sowie von Clemens VII. Diese Räume sind aber nur diesen Päpsten gewidmet, nachdem sie erst unter Cosimo I in der zweiten Hälfte des 16. Jhd. entstanden. Leo X, mit bürgerlichem Namen Giovanni de' Medici, war ja das erste Mitglied der Familie, das zum Papst gekrönt worden war. Leo seinerseits hatte seinen Cousin Clemens zum Kardinal erhoben und dieser folgte auf dem Heiligen Stuhl nur zwei Jahre nach Leos Tod.
Die Einrichtung hier im Zimmer von Clemens VII stammt aus der Zeit, als dieser Raum der Sitz des Bürgermeisters war.
Auch heute wird er noch ab und zu für Repräsentationszwecke verwendet. Der größte Teil des ersten Stockwerks wird außerdem von der Stadtverwaltung von Florenz beansprucht und ist daher nicht zu besichtigen.
Es lohnt sich immer wieder, den Blick in die Höhe zu heben, wo die erlesensten Malereien zu entdecken sind, gleich ob es sich um die Decke handelt, oder um die schön ausgestalteten Zwickel.
Und dann finden wir einen alten Bekannten wieder, den wir letztens in Frankreich getroffen haben, den wir aber sofort wiedererkennen. Es ist Francois I von Frankreich, der auf dem Bild zusammen mit Papst Clemens VII dargestellt ist.
Francois war tatsächlich in Rom gewesen, um für seinen Sohn, den späteren Henri II, die Nichte des Papstes als Gattin zu gewinnen. Die arme, vierzehnjährige Katharina de Medici wurde auf diese Art zu einem Spielball der Großpolitik, Gattin eines Herrschers, der lebenslang einer Mätresse, Diana von Poitiers, huldigde.
Das Band zwischen dem französischen König und der Nichte des Papstes sollte helfen, Frankreichs Stellung zu verbessern, da man zu dieser Zeit mit Karl V von Habsburg (erfolglos) um die Vorherrschaft in Europa konkurrierte.
Über die Treppe, ebenfalls von Vasari erbaut, gelangt man in den zweiten Stock des Palastes. Die Zimmer dort sind so ausgemalt, dass sie mit den jeweils darunter liegenden korrespondieren. Während im ersten Stock die "irdischen Götter" der Familie Medici verherrlicht werden, sind es im zweiten Stock die mythologischen Götter der Antike.

Zunächst kommt man in den Saal der Elemente, in dem je eine Wand einem der Elemente Feuer, Erde, Luft und Wasser zugeordnet ist. Auf dem Gemälde der Erde wird Cosimo I zum Beispiel mit Saturn verglichen, der die Früchte der Erde erhält. Als Hinweise darauf dienen teils ein Steinbock (Cosimos Sternzeichen und Aszendent), teils sein persönliches Devisenzeichen, eine Schildkröte mit Segel.
Hier gibt es auch den einzigen erhaltenen Kamin aus dieser Zeit - natürlich an der Wand des Feuers.

Jedoch wird Cosimo I nicht nur mit Saturn (der Herrscher über die Zeit, der Zeitlose?) verglichen, sondern auch mit Jupiter, beziehungsweise Zeus, dem Göttervater. Vasari führte Aufzeichnungen über seine Werke, die heute noch erhalten geblieben und bei den symbolischen Deutungen natürlich sehr hilfreich sind. Im Saal des Jupiter werden Jupiter-Tugenden gezeigt, wie Großzügigkeit, Ehre und Glorie, die selbstverständlich auf Herzog Cosimo zutreffend sein sollten.
Wie in allen Museen ist es leider nur ein Bruchteil all dieser symbolischen Information, die man bei einem Besuch wirklich erfassen kann. Allein im Palazzo Vecchio könnte man ohne weiteres ein paar Tage lang verbringen, um alle Details zu sehen und um sie zu begreifen.
Etwas leichter begreiflich ist die Verewigung des Herzogs in den Bodenplatten im Zimmer der Ops, der Gattin des Saturn, die bei den Griechen als Rhea bezeichnet wurde.
Der Raum der Demeter oder Ceres stellt eine Analogie zu Cosimo dem Alten dar. So wie Ceres als Fruchtbarkeitsgöttin alles wachsen ließ, war Cosimo der Alte schon im 15. Jhd. für die Aussaat verantwortlich, aus der die Größe der Medici entstehen sollte.
Cosimo I konnte aber nicht umhin, sich selbst auch hier zu verewigen und seine besegelten Schildkröten runt um das Bild darstellen zu lassen.

Das anschließende Schreibzimmer der Kalliope besitzt die einzige erhaltene Glasmalerei im Fenster.

Von der Terrasse des Saturn hat man eine schöne Aussicht über die Dächer der Stadt und die umliegenden Hügel. Auch Herkules hat einen eigenen Saal gewidmet bekommen, in dem natürlich seine Mühen aufgezeichnet sind.

Die Gattin von Cosimo I, Eleonora von Toledo, hat im zweiten Stock auch einige private Räume eingerichtet gehabt, so ihr Schreibzimmer, das Grüne Zimmer und ihre Privatkapelle.
Die Einrichtungsgegenstände sind aber keine Originale, auch wenn viele von ihnen aus der Zeit stammen.

Auch viele der anderen Säle in diesem Stockwerk haben weibliche Heldinnen als Thema. So zeigt der Saal der Sabinierinnen, wie die Frauen versuchen, zwischen ihren Männern und ihren Verwandten Frieden zu stiften. Der Saal der Esther zeigt, wie besagte Esther den persischen König um Gnade für ihre Familie bittet. Der Saal der Penelope zeigt die Heldin am Spinnrad und sonst einige Episoden aus der Odyssee. Gualdrada ist eine florentinische Heldin, der man auch einen Saal gewidmet hat. Sie verschmähte seinerzeit sogar einen Kuss des Kaisers.

Der Guckloch-Saal hat ein verborgenes Guckloch, durch das man in den Saal der Fünfhundert spähen konnte.
Die Kapelle der Zunftvorsteher hat sehr alte Ahnen. Schon 1522 wurde sie erbaut. Sie ist dem Heiligen Bernhard geweiht. Es gibt allerdings Belege für eine Kapelle im zweiten Stock, die es schon im 14. Jhd. gegeben hat.

Bevor wir unseren Rundgang abschließen, noch ein paar Worte zum Audienzsaal und zum Liliensaal. Letzterer ist mit goldenen Lilien auf blauem Grund verziert und ist der einzige Raum, der noch so aussieht wie im 15. Jhd. Hier steht auch Donatellos Statue von Judith und Holofernes, die ursprünglich im Garten der Medici stand und dann eine Zeit lang vor dem Palazzo Vecchio platziert war. Anfangs war der Liliensaal, den man durch eine Außentreppe erreichen konnte, mit dem Audienzsaal vereint, bis man 1470 beschloss, eine Trennwand aufzubauen.
Der Audienzsaal schließlich hat seinen Namen daher, dass die Zunftvorsteher der Signoria, die gleich nebenan wohnten, hier die Bürger empfingen. Der Saal ist heute durch das Portal der Justitia in der Trennwand gekennzeichnet, sowie durch seine prunkvolle Ausschmückung.

Prunkvoll jedoch - es gibt kaum einen Raum in diesem Palast, der nicht als prunkvoll zu bezeichnen ist. Das ganze Gebäude ist ein großartiges Beispiel hervorragender Kultur vergangener Tage, die nichtsdestoweniger auch heute noch aktuell und lebendig wirkt.

Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009



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